13. Tretminenzünder am Schauspiel- und Regieseminar

[Ausführlicher Katalogtext]

Am 12. Februar 1945 kam es in der „Schauspielschule des Burgtheaters“ (heute: Max Reinhardt Seminar) im Palais Cumberland beim Hantieren mit Tretminenzündern zu einer Explosion. Eine Studentin wurde dabei verletzt, mehrere Fenster gingen zu Bruch. Was hatten Schauspiel- und Regiestudierende mit solchem explosiven Material zu tun?

1944 waren entsprechend den von Joseph Goebbels gesetzten „Maßnahmen zum totalen Kriegseinsatz“ unter anderem „[s]ämtliche Theater, Varietés, Kabaretts und Schauspielschulen […] bis zum 1. September 1944 zu schließen“ (Neues Wiener Tagblatt, 25.08.1944, 1f.). Auch das Schauspiel- und Regieseminar (damals als Schauspielschule des Burgtheaters bezeichnet) der Reichshochschule für Musik Wien war davon betroffen und Hans Niederführ (1902–1987), der Leiter des Seminars, suchte nach einer Lösung, um dessen Weiterbestand zu sichern.

Foto: Urheber*in unbekannt, Privatbesitz Rolf Kunowski.
Rolf Kunowski kam 1943 als Student an das Schauspiel- und Regieseminar. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bildete er gemeinsam mit Heribert Kuchenbuch kurz die provisorische Leitung des Seminars. Foto: Privatbesitz Rolf Kunowski.

Dank der Kontakte des Studenten Rolf Kunowski (1917–2014) gelang es, dass der Kunsthandwerksbetrieb „Tiroler Hauskunst“ einen Auftrag für die Fertigung von Tretminenzündern übernahm. Die Studierenden und Lehrenden des Schauspiel- und Regieseminars, auch Studierende der Bühnenbild-Klassen der Akademie der bildenden Künste sowie des Instituts für Theaterwissenschaft der Universität Wien arbeiteten im Rahmen dieses Rüstungseinsatzes, der im Palais Cumberland durchgeführt wurde.

Die 40 pro Woche zu leistenden Arbeitsstunden waren so eingeteilt, dass an den Nachmittagen Gemeinschaftsunterricht abgehalten werden konnte. Einzelunterricht gab es parallel zu den Arbeitszeiten an den Vormittagen. Bis kurz vor dem Ende der Kampfhandlungen in Wien fanden auch noch Vorstellungen statt: die letzte am 29. März 1945.

Dass ausgerechnet Kunowski zum Initiator und in der Folge Betriebsleiter dieser Tretminenzünderproduktion wurde, entbehrt nicht einer gewissen Brisanz: Er war als politischer Häftling in einem Nebenlager von Dachau interniert gewesen, im sozialdemokratischen Widerstand aktiv und musste mit gefälschten Papieren die jüdische Herkunft seines Vaters verschleiern. Zu dem im Raum stehenden Sabotageverdacht äußerte er sich in späteren Interviews mit dem mdw-Archiv nur nur recht bedeckt: „Wenn man mir vorwirft, es war Sabotage, so nehme ich das – wie soll man sagen – der Krieg war bereits verloren, es war nicht mehr viel zu sabotieren.“