17. Kontinuitäten oder „Sachzwänge“
Das Lexikon der Juden in der Musik ist ein musikwissenschaftliches Standardwerk aus der Zeit des Dritten Reiches, von dem sich im Bibliothekskatalog der mdw* bis heute vier Exemplare befinden, davon zwei in der Hauptbibliothek (1940, 1943).

Deshalb ist hier nach der Deutung dieser Einträge zu fragen – beweisen sie die Kontinuität antisemitischer, nationalsozialistischer Einstellung an der Institution bis in die frühen 1960er Jahre oder 'Gedankenlosigkeit' bei der Benützung der gewohnten Handbücher?
Ein Handlexikon zur Aktualisierung von Einträgen, vornehmlich zum Nachtrag von Sterbedaten, gehört zum bibliothekarischen Alltag. Das bestätigt auch der heutige Bibliotheksleiter Michael Staudinger:
„Ich nehme also an, dass die beiden damaligen Bibliothekare (Alois Strassl (1903-1976) und Wolfgang Pernauer (1924-2013)) dieses Exemplar im Zimmer stehen hatten und die Daten darin für den persönlichen Gebrauch eintrugen [...]“
Und tatsächlich finden sich dementsprechend die angeführten Vermerke nur in einem der beiden Exemplare in der Hauptbibliothek. Die musikwissenschaftlichen Standardlexika der Nachkriegszeit in deutscher Sprache sind erst ab 1951 (Die Musik in Geschichte und Gegenwart) bzw. ab 1958–61 (Riemann, 12.Aufl., Bd. 1–2 Personen) erschienen, deshalb gibt es zwar in letzterem das Sterbejahr von Max Graf, in der MGG aber keine Todesdaten der Genannten. Dem Resümee des erwähnten Bibliotheksleiters in der zitierten mail-Antwort ist deshalb nichts hinzuzufügen:
„Das mit der Kontinuität lässt sich nur mit Abstrichen erzählen. Nach 1945 wurde sämtliche NS-Literatur natürlich mit einem Sperrvermerk versehen und nicht mehr zur Benützung ausgegeben. Interessant ist es trotzdem, dass just dieses Lexikon offenbar bis in die 1960er Jahre intern griffbereit zur Hand war.“