14. Geschichte der ub.mdw* – Geraubte Musiknotendrucke und die NS-Provenienzforschung
Mit der Entschließung von Kaiser Franz Joseph I. am 1. Jänner 1909 wurde das Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde Wien verstaatlicht und in die „k.u. k. Akademie für Musik und darstellende Kunst Wien“ umbenannt. Da der umfangreiche und wertvolle Bibliotheksbestand der Sammlung der Musikfreunde im Besitz der Gesellschaft blieb, wurde an der Akademie eine eigene Bibliothek gegründet. Der Musikwissenschaftler, Pianist und Komponist Gustav Donath (1878–1965), der seit 1908 an der Bibliothek tätig war, wurde mit dem Aufbau des Bücher- und Notenbestandes beauftragt. Durch den ,Anschlussʻ Österreichs an NS-Deutschland galt Gustav Donath aufgrund der Nürnberger Gesetze als „Mischling 1. Grades“, da sein Vater und seine Großeltern der jüdischen Religion angehört hatten. Zunächst wurde er im September 1938 zwangsbeurlaubt und im Juli 1939 zwangsweise in den dauernden Ruhestand versetzt. Sein Nachfolger wurde der seit 1920 tätige Volksliedforscher und Staatsbibliothekar Curt Otto Rotter (1881–1945), der sich im April 1945 in der Israelitischen Abteilung am Döblinger Friedhof das Leben nahm. Im Mai 1945 wurde Gustav Donath bis zu seinem endgültigen Ruhestand 1949 erneut Leiter der ub.mdw* ernannt.

Zwischen 1933 und 1945 wurden schätzungsweise rund 15.000 Bände (überwiegend Musiknotendrucke) im Bestand der ub.mdw* inventarisiert. Wie auch in anderen Bibliotheken wurden viele dieser Bände unrechtmäßig während der NS-Herrschaft erworben. Andere gelangten nach 1945 durch Kauf im Musikalien- und Buchhandel sowie in Antiquariaten oder durch oftmals anonyme ,Spendenʻ an die ub.mdw*. Die ab 1909 erhaltenen Inventarbücher liefern Informationen über die Erwerbungsart und die Verkäufer*innen oder Einbringer*innen. Die seit 2012 an der mdw bestehende Arbeitsgruppe NS-Provenienzforschung beschäftigt sich damit, die entzogenen Musiknotendrucke, Bücher und Musikinstrumente sowie ihre ehemaligen Eigentümer*innen zu identifizieren, um diese an die rechtmäßigen Erb*innen zu restituieren.