7. Musikalische Volksbildung an der Abteilung für Kirchenmusik im Nationalsozialismus
Im März und April 1939 fanden an der mdw* zwei Schulungswochen statt, die auf die geänderten Verhältnisse an der Abteilung für Kirchenmusik hinweisen.

Die Abteilung für Kirchen- und Schulmusik hatte zur Zeit des Austrofaschismus besondere Förderung erhalten (vgl. Tafel 5). Eine Institution, die sich vor allem der katholischen Kirchenmusik widmete, passte zu einer Staatsform, die sich im Katholizismus verankert sah. Nach dem 'Anschluss' verlor die Kirchenmusik an Bedeutung, blieb aber an der mdw* bestehen. Das Fach Schulmusik kam 1938 an die neu gegründete Musikschule der Stadt Wien (ab 1941 wieder an die mdw*). Josef Lechthaler (1891–1948), von 1931–1938 Leiter der Abteilung für Kirchen- und Schulmusik, dem austrofaschistischen System eng verbunden, verfasste 1939 noch ein der „neuen Zeit“ angepasstes Ausbildungskonzept, durfte aber nicht mehr für den Bereich Kirchenmusik an der mdw* arbeiten. Er wurde (mit der Schulmusik) an die Musikschule der Stadt Wien versetzt. Der Priester, Chorallehrer und Komponist Franz Kosch (1894–1985) wurde neuer Leiter des Kollegiums.
Deutliches Zeichen einer Neuorientierung war zunächst der Versuch, die Dominanz der katholischen Ausrichtung zu schwächen. Von staatlicher Seite wurde die Öffnung für andere Konfessionen gefordert. Zwei Programme von „volkstümlichen Kursen“ für Kirchenmusik aus dem Jahr 1939 verweisen auf diese neue Ausrichtung: Im März veranstaltete die Abteilung einen nicht explizit so bezeichneten, aber offensichtlich katholisch ausgerichteten Kurs und im April eine Schulungswoche für evangelische Kirchenmusik, die vom protestantischen Pfarrer Egon Hajek (1888–1963) geleitet wurde, der 1938 als Professor für Hymnologie an die mdw* kam und in dieser Funktion bis 1959 blieb. Hajeks Ansuchen um Aufnahme in die NSDAP wurde negativ beurteilt, weil die Parteimitgliedschaft eines Pfarrers nicht akzeptiert wurde. In dem ihn betreffenden Gau-Akt ist aber auch zu lesen, dass Hajek bereits zur Zeit des Austrofaschismus dazu beitrug, die SA im Evangelischen Bund zu tarnen.
Beide Kurse richteten sich an „nebenamtliche Kirchenmusiker“. Selbst der katholische Kurs versuchte, auch Frauen anzusprechen. Die im Archiv der mdw vorhandenen Teilnehmer*innenlisten zeigen, dass in beiden Kursen mehr als die Hälfte von ihnen weiblich waren. Dieser Versuch, auch volksbildend zu wirken, entsprach allerdings durchaus den Vorstellungen zur Zeit des Austrofaschismus. Für den damaligen Leiter Josef Lechthaler war Volksbildung ein wichtiges Anliegen.